SVP: Ausländerfeindliche Hetze mit falschen Zahlen

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16. April 2013 von Schlemihl

SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli hatte in seiner Kolumne im SVP-Hausblatt „Die Weltwoche“ vom 13. März behauptet 50% aller Asylbewerber seien kriminell. Kurz darauf wiederholte SVP-Übervater Christoph Blocher diese Zahl auf seinem Internet-Fernsehsender „Teleblocher“. Dumm nur: Dieser Wert ist komplett falsch, tatsächlich wurden nur knapp 9% der Asylbewerber strafrechtlich verurteilt. Nicht das erste Mal, dass die Schweizerische Volkspartei (SVP) falsche Zahlen für ihre ausländerfeindliche Politik missbraucht.

Knapp 9% statt 50%
Wie ist es zu dieser haarsträubenden Falschbehauptung gekommen? Mörgeli hat sich bei seiner Behauptung auf ein Referat von Strafrechtsprofessor Christian Schwarzenegger von der Universität Zürich bezogen, der u.a. die Kriminalstatistik des Jahres 2010 analysiert hat. Nur hat Mörgeli bei seiner „Berechnung“ offensichtlich – absichtlich oder unbewusst – eine falsche Zahl erwischt: Er hat die Zahl der Verurteilten ohne Wohnsitz in der Schweiz (17’251) durch die Zahl der Asylsuchenden in der Schweiz (36’116) geteilt und dann noch grosszügig aufgerundet. Tatsächlich wurden 2010 aber nur 3167 Asylbewerber verurteilt, was nur 8,8% der Asylsuchenden waren.

Nehmen es mit den Zahlen nicht so genau: Die SVP-Nationalräte Blocher und Mörgeli.

Nehmen es mit den Zahlen nicht so genau: Die SVP-Nationalräte Blocher und Mörgeli.

Ganz offensichtlich sahen sich weder die Weltwoche-Redaktion noch Christoph Blocher veranlasst die komplett falsche Zahl von Mörgeli zu überprüfen. Blocher wiederholte wenig später Mörgelis Falschbehauptung auf seinem Internetsender „Teleblocher“.

Fehlerhafte Interpretation von Statistiken
Dieser haarsträubende Umgang der beiden SVP-Exponenten mit diesen Zahlen veranlasste Professor Schwarzenegger und dessen Assistent David zu einem hervorragenden Gastkommentar in der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 5. April 2013:

«Statistiken lügen», wird in diesem Zusammenhang häufig behauptet. Doch das stimmt nicht. Es sind vielmehr die Interpreten der Statistiken, die absichtlich oder unbewusst Fehler machen. Die skandalisierenden Schlussfolgerungen von Christoph Mörgeli werden von der Strafurteilsstatistik nicht gestützt. Schockierend ist der Stammtisch-artige Umgang mit der Kriminalstatistik.“

 

„Im Bereich der «Ausländerkriminalität» gehört dazu die Erkenntnis, dass es nicht auf die Nationalität – eine belanglose juristische Kategorie – ankommt, ob eine erhöhte Neigung zur Kriminalität besteht. Die Verurteilungsrate der deutschen Wohnbevölkerung in der Schweiz zeigt dies sehr deutlich: Sie ist niedriger als diejenige der Schweizer. Eine differenzierte Analyse zeigt grosse Unterschiede bei den Häufigkeitsziffern je nach sozialer Stellung der Person.“

Auf den oftmals fragwürdigen Umgang mit solchen Statistiken hatte ich bereits im Herbst 2010 bei den umstrittenden Äusserungen von Thilo Sarrazin aufmerksam gemacht: Genetische und andere Verirrungen

Polemik, Hetze und Schreckenssenarien
Gerade Statistiken im Bereich der „Ausländerkriminalität“ werden immer wieder – meist von rechtskonservativen bis rechtsextremen Kreisen – für Polemik, Hetze und Schreckensszenarien missbraucht. Dabei werden diese Statistiken wie die Fälle Mörgeli und Sarrazin beweisen oftmals fehlerhaft interpretiert (sei es absichtlich oder unbewusst). So beruhen die Behauptungen, in Europa finde eine „schleichende Islamisierung“ statt, grossmehrheitlich auf Fehlinterpretationen von Statistiken.

So behauptete der damalige SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer 2004 in einer grossangelegten Zeitungskampagne der Anteil der Muslime in der Schweiz würde sich alle 10 Jahre verdoppeln. Zufälligerweise hatte sich von 1990 bis 2000 der Anteil der Muslime in der Schweiz aufgrund der starken Einwanderung aus dem Balkan von 2,2% auf 4,3% ungefähr verdoppelt. Auf der Basis dieses statistischen Zufalls erstellte Schlüer seine „Hochrechnung“ und behauptete dieser Anteil würde im Jahr 2010 auf 9%, im Jahr 2020 auf 18% usw. steigen. Schlüers „Hochrechnung“ endet im Jahr 2040 mit 72%, denn hätte er weitergefahren, wäre der Anteil der Muslime gemäss Schlüers „Hochrechnung“ im Jahr 2050 auf 144% gestiegen und die Stupidität von Schlüers „Prognose“ wäre offensichtlich gewesen.

Ausländerfeindliche Hetze basierend auf unseriösen "Hochrechnungen".

Ausländerfeindliche Hetze basierend auf unseriösen „Hochrechnungen“.

Das polemische Schreckensszenario von Schlüer: Muslime seien in der Schweiz bald in der Mehrheit, wenn man nichts unternehme. Aufgrund einer gezielt fehlerhaften Interpretation von Statistiken versuchte Schlüer das Schreckensszenario von der angeblich „schleichenden Islamisierung“ zu verbreiten. Und wenn man das Ergebnis der Abstimmung über das Minarett-Verbot anschaut, hatte er damit zumindest teilweise Erfolg.

Das Märchen von der „Schleichenden Islamisierung“
Die aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik für das Jahr 2010 widerlegen übrigens Schlüers „Hochrechnung“ klar. Der Anteil Muslime an der Gesamtbevölkerung stagniert auf rund 4,5%.

2 Kommentare zu “SVP: Ausländerfeindliche Hetze mit falschen Zahlen

  1. Vielen Dank Hr Schlemihl Wrobel für ihren Artikel- ich kann alles 1:1 unterschreiben. Es gibt wohl keine andere Partei die mit Zahlen und Statistiken immer wieder und immer wieder ihre Unfähigkeit beweist.
    Ein Trick den die SVP anwendet besteht darin Statistiken als Grafik die Gleichwertigkeit der X- und Y-Achsen einer Statistik zu verletzen. z.B. auf der X-Achse einzelne Jahre ausweisen und dann überraschend mehrere Jahre auf der X-Achse zusammenfassen oder weglassen. Das macht die SVP immer dann wenn die Ergebnisse der Jahre nicht so sind wie sie das gerne hätte.
    Da hat doch der SVPler Tuena (Zürich) mal eine Statistik (Grafik) nach diesem Verfahren komplett verfälscht.
    Der Ueli der Maurer hat als Parteipräsident mehrmals dutzende male komplette völlige Unsinns-Statistiken und Grafiken gezeigt.
    Es wäre mir ein leichtes hier komplette Belege für den Statistik-Schwachsinn​ der SVP darzulegen.
    Ein kleines Beispiel hier:
    2 Beispiele: – Freizügigkeitsabkomme​n 2002
    – Entwicklung von Straftaten 2000 — 2009
    Achtung: im nachfolgenden Beispiel sieht man auch wie die SVP Jahre weglässt die nicht das belegen was sie gerne hätte. In der Datenreihe verwendet sie eine Statistik vom Bundesamt für Statistik in dem das Jahr 2009 vorkommt. Das Jahr 2009 widerspricht der SVP. Also wird das Jahr weggelassen. Nein was so ein Blödsinn.
    siehe http://www.gruene.ch/​web/gruene/de/positio​nen/soziales/integrat​ion/medienmitteilunge​n/svp_volksbefragung/​mainColumnParagraphs/​0/text_files/file/svp​_beispiele_d.pdf

  2. Thiss is a great blog

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