Menschenrechte à la carte

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1. März 2010 von Schlemihl

Roger de Weck hat es in seiner gestrigen Kolumne in der Sonntagszeitung einmal mehr auf den Punkt gebracht: Der Umgang der Rechtskonservativen mit den Menschenrechten ist widersprüchlich und unglaubwürdig. Sie instrumentalisieren die Menschenrechte. Je nach dem, ob sie ihnen ins politische Konzept passen, gehören sie abgeschafft oder werden hochgejubelt.

Minarett-Initiative
Im Vorfeld der Minarett-Initiative hatte die SVP und ihr Propagandablatt die Weltwoche massiv gegen das Verbot der rassistischen SVP-Plakate zur Minarett-Initiative protestiert. SVP und Weltwoche beriefen sich dabei auf das Recht auf freie Meinungsäusserung, also ein Menschenrecht. Beim Minarett-Verbot hingegen, das klar gegen mehrere Menschrechtsartikel und mehrere Grundrechte gemäss Schweizer Bundesverfassung verstösst (insbesondere die Rechtsgleichheit, das Diskriminierungsverbot und die Religionsfreiheit), wurden die Menschenrechte dann aber konsequent ignoriert. Die SVP ging gar so weit, dass sie forderte, die Europäische Menschenrechtskonvention zu kündigen, damit auch menschenrechtswidrige Volksinitiativen in allen Fällen zugelassen würden.

Ein Dorn im Auge der SVP: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassbourg

Ein Dorn im Auge der SVP: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassbourg

Fall Libyen
Verfechter der Menschenrechte werden von Rechtskonservativen gern mal abschätzig als “Gutmenschen” bezeichnet. Setzen sich diesen “Gutmenschen” von Amnesty International aber für Schweizer ein, die in Libyen menschenrechtswidrig und willkürlich festgehalten werden, dann ist das natürlich in Ordnung. Dieselbe SVP, die selbst die Europäische Menschenrechtskonvention künden wollte, argumentiert beim Unrechtsstaat Libyen natürlich mit den Menschenrechten.

Widersprüchliche Weltwoche
Den Gipfel der Widersprüchlichkeit erreicht aber einmal mehr die Weltwoche. Zuerst forderte sie, das Recht auf freie Meinungsäusserung sei immer einzuhalten. Sie setzte damit das Recht auf Freie Meinungsäusserung über alle anderen Grundrechte. Dann behauptete sie das Minarett-Verbot verstosse nicht gegen die Menschenrechte um dann zu argumentieren, demokratische Entscheide könnten auch Menschenrechte ausser Kraft setzen. Es folgten Artikel, in denen die Entstehung und Berechtigung der Menschenrechte in Zweifel gezogen werden. Und dann in den letzten Wochen der vorläufig krönende Abschluss: Das Bankgeheimnis wird kurzerhand als Menschenrecht deklariert und eine Abschaffung desselbigen als Menschenrechtsverletzung.

Fazit
Die Menschenrechte sind in unserer Bundesverfassung grossmehrheitlich unter den Grundrechten aufgeführt. Grund- und Menschenrechte sind das Fundament eines demokratischen Rechtsstaats. Sie sind allgemeingültig. Werden sie aber nur noch nach politischer Intessenlage mal berücksichtigt und mal nicht, dann ist das der Anfang vom Ende des Rechtsstaats. In der Vergangenheit gab es in der Schweizer Politik eine Art ungeschriebenes Gesetz, dass Bundesratsparteien keine völkerrechtswidrigen Initiativen einreichen oder unterstützen, da diese nicht umsetzbar sind und man der Bevölkerung etwas vormachen würde. Dieses ungeschriebene Gesetz hat die SVP in den letzten Jahren mehrfach gebrochen. Mit der “Verwahrungsinitiative”, der “Unverjährbarkeit-Initiative”, der “Minarett-Initiative” und der “Ausschaffungsinitiative” wurden Verfassungsänderungen angenommen oder Initiativen lanciert, die im Rahmen des Völkerrechts nicht umsetzbar. Die SVP führt damit das Stimmvolk hinters Licht. Deshalb sind dringend klare Regeln für Volksinitiativen erforderlich. Initiativen, die gegen wichtige Völkerrechtsbestimmungen verstossen, müssen noch vor der Unterschriftensammlung aus dem Verkehr gezogen werden.

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