Am liberalsten stimmten die Grünliberalen

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22. September 2011 von Schlemihl

Die Forschungsstelle sotomo unter der Leitung des Politologen Michael Hermann hat das Abstimmungsverhalten der Nationalrätinnen und Nationalräte während der Legislatur 2007-2011 analysiert. Das Ergebnis: Die liberalste Partei sind die Grünliberalen. Die liberalsten Einzelpersonen sind Ruedi Noser (FDP/ZH) und Christa Markwalder (FDP/BE). Weiter zeigt sich, dass sich die SVP endgültig aus dem bürgerlichen Lager verabschiedet hat und die Positionen einer Rechtsaussenpartei eingenommen hat.
 
So stimmten die Nationalräte 2007-2011.

So stimmten die Nationalräte 2007-2011.

 
Die vollständige Grafik mit dem Namensverzeichnis finden Sie hier.
 
Fraktionsdisziplin bei Rot-grün und der SVP
Die Darstellung zeigt, dass die einzelnen Fraktionen mehrheitlich sehr einheitlich stimmten – insbesondere diejenigen der Grünen, der SP und der SVP – und sich mehrheitlich klar gegenseitig abgrenzen (mit Ausnahme der BDP-Fraktion). Gleichzeitig sind aber auch klare Gemeinsamkeiten zwischen FDP, CVP und BDP einerseits sowie SP und Grünen andererseits erkennbar.
 
Liberaler Alec von Graffenried
Einzige Ausnahme im rot-grünen Lager ist der Berner Nationalrat und Ständeratskandidat Alec von Graffenried (Nr. 185) von der Grünen Freien Liste (GFL) der Stadt Bern. Er ist der liberalste linke Politiker im Nationalrat und stimmte klar liberaler als die Mehrheit der grünen Fraktion. Es ist deshalb wenig überraschend, dass der gemässigte und mehrheitsfähige Grüne Politiker vor kurzem die Unterstützung der Grünliberalen Bern für die Ständeratswahlen erhalten hat.
 
Grosse Streuung bei der CVP
Die mit Abstand grösste Steuung weist die CVP-EVP-GLP-Fraktion auf. Dies liegt jedoch nicht nur an den Mitgliedern der Grünliberalen (die klar am linksliberalen Rand der Fraktion politisieren) und der EVP (linkskonservativer Rand), sondern in erster Linie an den unterschiedlichen Positionen innerhalb der CVP selbst. Die BDP-Fraktion stimmt inhaltlich sehr ähnlich wie die CVP-Fraktion, wenn auch eher rechts-konservativer. Die BDP nimmt damit die klassische Position der SVP ein, vor deren Rechtsrutsch in den letzten 20 Jahren.
 
SVP rutscht immer weiter nach rechts
Der kontinuierliche Rechtsrutsch der SVP, lässt sich auch dadurch feststellen, dass sich die SVP inhaltlich nicht mehr von den Positionen der Rechtsparteien EDU und Lega unterscheidet. Die Politische Karte zeigt sehr schön, dass die EDU- und Lega-Mitglieder in der SVP-Fraktion keineswegs Positionen am rechtskonservativen Rand innerhalb der SVP-Fraktion einnehmen.
 
Grünliberale durchschnittlich am liberalsten 
Die FDP verfügt über die liberalsten Einzelmitglieder im Nationalrat. Allen voran der Zürcher Ruedi Noser und die Bernerin Christa Markwalder politisieren sowohl wirtschafts- wie auch gesellschaftsliberal. Allerdings gibt es innerhalb der FDP-Fraktion auch wesentlich konservativere Kräfte (insbesondere in gesellschaftspolitischen Fragen), was dazu führt, dass die FDP durchschnittlich einen weniger liberalen Wert aufweist als die Grünliberalen, deren drei Mitglieder des Nationalrats alle klar liberale Positionen einnehmen und das trotz einem gewissen Fraktionszwang aus der gemeinsamen Fraktion mit den konservativeren CVP und EVP.
 
Kritische Anmerkung
Gerade der Begriff „liberal“ wird teilweise unterschiedlich ausgelegt. Die tiefen Werte des linken Lagers und die eher hohen Werte des bürgerlichen Lagers lassen darauf schliessen, dass sotomo wirtschaftsliberale Fragestellungen stärker gewichtet hat als gesellschaftsliberale. Dass die nationalkonservative SVP trotzdem derart tiefe Werte in der Dimension „konservativ-liberal“ aufweist, zeigt dass die heutige SVP eben alles andere als eine wirtschaftsliberale oder wirtschaftsfreundliche Partei ist. Umso unverständlicher ist es, dass viele Wirtschaftsverbände bei den Wahlen im Oktober SVP-Kandidaten unterstützen.

3 Kommentare zu “Am liberalsten stimmten die Grünliberalen

  1. Gut möglich, dass die Achsen falsch beschriftet sind. „Links“ steht doch für „etatistisch“, während „rechts“ für „eigenverantwortlich“ (liberal im eigentlichen Sinn) steht. Oder wie sind für Sie „links“ und „rechts“ definiert?

    Genauso steht es um die Achsen „konservativ“ und „liberal“: Hier geht es für mich um die Wertediskussion. Werden Werte erhalten („konservativ“) oder eher mit neuen Werten durchmischt („liberal“). Man könnte auch sagen: Wie sehr rücken die Parteien/Politiker von ihrer Grundhaltung ab. Konservative eher nicht, liberale eher schon. Daher erstaunt es auch nicht, dass die Mitteparteien eher unklare Profile haben, während links und rechts die Parteien auf ihren Positionen bleiben.

    Daher kann ich auch nicht unterschreiben, dass die GLP die liberalste Partei ist und die SVP abgeschlagen sein soll. Hier wird das Wort „liberal“ vergewaltigt.

    Interessant auch: Die BDP, welche ja die SVP-Positionen mit dem besseren Stil vertritt, steht weit weg von der SVP. Der Etikettenschwindel fliegt definitiv auf.

    Zum Schluss: Es müsste Ihnen auffallen, dass die SVP als Ganzes weniger weit am rechten Rand steht, als die beiden Linksparteien SP und Grüne auf ihrer Seite. Der Ausdruck „rechtsradikal“ müsste also eher auf die Linken („linksradikal“) angewendet werden. Oder wenn, dann immerhin in gleichem Masse. Diese „Gleichheit“ ist aber heute nicht erkennbar in den Medien.

    • Auch gut möglich, dass Sie das Wort Liberal nicht verstehen.
      Eine liberale Grundhaltung bedeutet, dass man möglichst wenig Regeln möchte, damit sich der Einzelne frei entfalten kann. Dazu gehört sowohl eine offene Wirtschaft wie auch keine Minarettverbote. Deshalb ist die SVP weit im konservativen Lager.

      Hier zwei Ansätze was Liberal bedeutet:
      Einmal in 100 Sekunden: http://bit.ly/npKIS2
      Und dann noch etwas ausführlicher.http://bit.ly/naethW

  2. Philipp sagt:

    Wirtschaftsliberal oder Gesellschaftsliberal? Die Karte unterscheidet beides nicht, sondern macht ein Mischmasch daraus. Der Herausgeber derselben hat diese zwei „liberale Haltungen“ in einer anderen Studie unterschieden und dann im Tagi veröffentlich. Die Gesellschaftsliberalsten sind nach ihm die Sozial-Grünen. Grünliberal folgt etwa auf Platz 4.

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