Das Märchen von der schädlichen „Masseneinwanderung“ (Teil 3)

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21. Oktober 2011 von Schlemihl

Gewisse Parteien aus dem nationalkonservativen Lager schieben gerne die Schuld für alle Probleme oder Scheinprobleme, die wir in der Schweiz haben, der Einwanderung zu. So sollen die Einwanderer Schuld an den verstopften Strassen, den überfüllten Zügen oder der zunehmenden Überbauung sein. Die Fakten zeigen allerdings, dass die tatsächlichen Hauptursachen für die Probleme ganz wo anders liegen: Erstens braucht jeder Schweizer und jede Schweizerin durchschnittlich immer mehr Raum, ist immer mobiler und fährt immer mehr Auto. Zweitens wurde in der Schweiz in den vergangenen Jahrzehnten die nationale Raumplanung sträflich vernachlässigt.

Sehr viel Landwirtschaftsfläche vorhanden
Wenn man sich die aktuelle Diskussion anhört, könnte man meinen die Schweiz bestehe fast nur noch aus Siedlungsfläche und Landwirtschaftsfläche und Wald seien fast vollständig verschwunden. Dem ist natürlich nicht so: Insbesondere die Landwirtschaftsfläche (37% der Gesamtfläche) in der Schweiz ist nach wie vor riesig und wird durch Subventionen in Milliardenhöhe auch künstlich hoch gehalten. Die Waldfläche macht rund 31% der Gesamtfläche aus und nimmt leicht aber stetig zu. Rund ein Viertel der Gesamtfläche ist sogenannte „unproduktive Fläche“. Aber diese eignet sich selbstverständlich trotzdem gut als Natur- und Erholungsgebiet. Nur gerade 7% der Gesamtfläche werden als Siedlungsfläche gebraucht, wobei die Tendenz steigend ist.

Verteilung der Gesamtfläche. (Quelle: Bundesamt für Raumentwicklung)

Verteilung der Gesamtfläche. (Quelle: Bundesamt für Raumentwicklung)

Weiter ist zu erwähnen, dass rund 20% der Bauzonen nicht heute nicht überbaut sind. Das heisst also, dass zur Zeit noch genügend Bauland vorhanden ist, ohne dass umgezont werden müsste und ohne dass Landwirtschaftsland oder Wald verloren ginge. Zudem fällt auf, dass in der Schweiz die Fläche die unter Naturschutz steht im internationalen Vergleich sehr gering ist und wir beispielsweise nur einen Nationalpark haben. Man müsste sich überlegen, ob man die Landwirtschaftsfläche weiterhin durch massive Subventionen auf einen derart hohen Niveau halten will oder ob man nicht stattdessen mehr Land unter Naturschutz stellt.

Schweizer brauchen mehr Wohnraum als Ausländer
Dass immer mehr Land überbaut wird, liege an der Einwanderung behaupten die Gegner der Personenfreizügigkeit. Diese Behauptung kann leicht widerlegt werden, wenn man sich die Entwicklung der Wohnraums pro Kopf er Bevölkerung anschaut getrennt nach Schweizern und Ausländern.

Wohnraum pro Person. Bei den Zahlen von 2010 handelt es sich um Schätzungen. (Quelle: Bundesamt für Raumentwicklung).

Wohnraum pro Person. Bei den Zahlen von 2010 handelt es sich um Schätzungen. (Quelle: Bundesamt für Raumentwicklung).

 
Die Grafik zeigt sehr schön, dass der Wohnraum pro Person in den letzten 30 Jahren um über 41%  zugenommen hat. Bei den Schweizern sind es sogar rund 46%. Die Bevölkerungszunahme in diesem Zeitraum betrug aber nur rund 22%. Das heisst, der zusätzlich benötigte Raum pro Kopf der Bevölkerung hat mehr zur Überbauung beigetragen als die Bevölkerungszunahme und somit erst recht mehr als die Einwanderung. Zudem muss betont werden, dass Schweizer im Schnitt fast 40% mehr Wohnraum benötigen als Ausländer.
 
Zunehmende Mobilität
Auch bei den Staus auf den Strassen und den überfüllten Zügen liegt die Hauptursache nicht bei der Einwanderung sondern in der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung. Innerhalb von gut 20 Jahren hat die durchschnittliche Tagesmobilität (d.h. die durchschnittlich zurückgelegt Strecke pro Person ab 10 Jahren und Tag) um 46% zugenommen. 
 
Massiver Anstieg der Tagesmobilität. (Quelle: Bundesamt für Statistik).

Massiver Anstieg der Tagesmobilität. (Quelle: Bundesamt für Statistik).

 
Mangelnde Raumplanung
Die Hauptursache für all die genannten Probleme ist in einer mangelnden und zu wenig auf nationaler Ebene koordinierte Raumplanung zurückzuführen. Mangelhafte Raumplanung für zu mehr Pendlern und mehr Mobilität. Gleichzeitig werden auch die vorhanden Bauzonen zu wenig gut und dicht genutzt und es kommt zu Zersiederlung. Wer die Einwanderung für die genannten Probleme verantwortlich macht, streut der Bevölkerung Sand in die Augen und versucht sich vor der Bewältigung der tatsächlichen Ursachen zu drücken!

2 Kommentare zu “Das Märchen von der schädlichen „Masseneinwanderung“ (Teil 3)

  1. Klar geht die heute grosse Nachfrage nach Wohnraum zum grössten Teil auf das Konto des zunehmenden Wohnraumbedarfs der Bevölkerung. Unter dieser Bevölkerung sind aber auch die bis heute unterversorgten ansässigen Ausländer. Zirka ein Drittel des neuen Bedarfs geht aber auf das Konto der Zuwanderer! Und vergessen wir die Neuansiedlungen von Betrieben nicht!

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