Das Märchen von der schädlichen „Masseneinwanderung“ (Teil 1)

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17. Oktober 2011 von Schlemihl

Im Wahlkampf wird von den Gegnern der Personenfreizügigkeit immer wieder betont, wie die angebliche „Masseneinwanderung“ der Schweiz schade. Die SVP und die „grün“-isolationistische Organisation ecopop haben populistische und enorm schädliche Initiativen zu diesem Thema lanciert. Die SVP hat zudem unser Land mit Masseneinwanderungs-Plakaten vollgekleistert. Die Fakten widerlegen die Behauptungen von SVP und ecopop.

SVP und ecopop haben in den letzten Monaten zahlreiche falsche Behauptungen betreffend Einwanderung und Personenfreizügigkeit aufgestellt. Die wichtigsten habe hier zusammengefasst:

  1. Wir haben zurzeit eine „Masseneinwanderung“ von noch nie dagewesenem Ausmass.
  2. Die Schweiz ist jetzt schon „überbevölkert“. Wenn es so weitergeht haben wir bald Verhältnisse wie in Singapur.
  3. Die Einwanderung als Folge der Personenfreizügigkeit führt zu höherer Arbeitslosigkeit.
  4. Die Einwanderung als Folge der Personenfreizügigkeit führt zu Lohn-Dumping.
  5. Die Einwanderung als Folge der Personenfreizügigkeit hat das Bruttoinlandprodukt pro Kopf und damit den Wohlstand der Schweiz gesenkt.
  6. Schuld an den verstopften Strassen und an den überfüllten Zügen ist die Einwanderung.
  7. Schuld an der zunehmenden Überbauung ist die Einwanderung.
  8. Schuld am zunehmenden Energie- und Ressourcenverbrauch ist die Einwanderung.
  9. Die Einwanderung schadet unseren Sozialwerken.
  10. Die Einwanderung führt zu mehr Kriminalität.

In einer Serie von vier Artikeln werde ich diese Behauptungen widerlegen. In diesem ersten Teil gehe ich auf die demografischen Aspekte (Behauptungen 1 und 2) ein. In einem zweiten Teil folgen die wirtschaftlichen Aspekte (Behauptungen 3-5). In einem dritten Teil erläutere ich dann die Aspekte Natürliche Ressourcen und Mobilität (Behauptungen 6-8). Und zum Schluss werden im vierten Teil die Behauptungen 9 und 10 zu den sozialen Aspekten der Einwanderung widerlegt.

Vergleich mit Singapur ist unsinnig
In geradezu hysterischer Weise wird von einer „Singapurisierung“ der Schweiz gesprochen oder es wird behauptet, die Schweiz entwickle sich zum Stadtstaat und die Schweiz habe eine der grössten Bevölkerungdichten weltweit. Wer sich die Fakten anschaut, erkennt schnell, dass es sich dabei um reine Angstmacherei handelt und die Schweiz im internationalen Vergleich keineswegs so dicht besiedelt ist wie immer behauptet wird. Das gilt auch für das Schweizer Mittelland.

Zahlreiche Industriestaaten sind wesentlich dichter beseidelt als die Schweiz und das Schweizer Mittelland.

Zahlreiche Industriestaaten sind wesentlich dichter beseidelt als die Schweiz und das Schweizer Mittelland.

 
Die obige Grafik zeigt, dass nicht nur Stadtstaaten und Drittweltländer dichter besiedelt sind als die Schweiz sondern auch viele Industriennationen. Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz betreffend Bevölkerungsdichte nur auf Rang 47 von 194 Nationen. Aber auch das Schweizer Mittelland ist nicht so dicht besiedelt wie immer behauptet wird. Die Lombardei (inkl. das alpine Veltlin), England, die japanische Hauptinsel Honshu und das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen sind dichter besiedelt als das Schweizer Mittelland. Ganz zu schweigen vom deutschen Ruhrgebiet.
 
Wie unsinnig der Vergleich mit Singapur oder Monaco ist, zeigt ein Blick auf die Bevölkerungsdichten: Mit einer Bevölkerungsdichte von 6745 Einwohnern pro km2 ist Singapur rund 18 mal so dicht besiedelt wie das Schweizer Mittelland, Monaco gar 40 mal so dicht. Um auf dieselbe Bevölkerungsdichte wie Singapur zu kommen, müsste die Bevölkerung im Schweizer Mittelland auf 90 Millionen anwachsen. Diese Zahlenspielerei soll nur aufzeigen, wie lächerlich der Begriff „Singapurisierung der Schweiz“ ist.
 
Keine übermassige Einwanderung
Auch die Behauptung, die Einwanderung in die Schweiz habe ein noch nie dagewesenes Ausmass erreicht, stimmt so nicht. Die Einwanderungsrate (netto) ist heute deutlich niedriger als in den 1960er Jahren und vergleichbar mit der Situation Mitte der 1990er Jahren. Zudem hat sie seit 2008 um rund 30% abgenommen.
 
Die Migrationsrate ist heute deutlich tiefer als in den 1960er Jahren und seit 2008 stark abnehmend.

Die Migrationsrate ist heute deutlich tiefer als in den 1960er Jahren und seit 2008 stark abnehmend.

 
Die Analyse der Fakten zeigt, dass die Situation wesentlich weniger dramatisch ist als behauptet wird und Begriffe wie „Masseneinwanderung“ oder „Überbevölkerung“ für die Schweiz völlig fehl am Platz sind und vor allem zur Angstmacherei im Wahlkampf dienen.

7 Kommentare zu “Das Märchen von der schädlichen „Masseneinwanderung“ (Teil 1)

  1. Markus Laubacher sagt:

    Wir in der Schweiz wollen uns doch nicht mit dem Ruhrgebiet vergleichen. Was dort in den letzten 50 Jahren passiert ist – Dreckindustrie mit extremster Luftverschmutzung, nachher hohe Arbeitslosigkeit, Überbesiedlung – musss doch in keiner Weise nur annähernd auch in der Schweiz stattfinden. Das Mittelland per se IST ZU DICHT BESIEDELT, Da muss NICHT derart plump relativiert werden mit ein paar extremen Beispielen. Wir wollen KEINE Zustände wie in diesem Bundesland oder in anderen teils „kaputten“ Ländern! Wir haben im Mittelland Täler zwischen ausgeprägten Moränenzügen. Übrigens: Diese Topografie lässt im Winter zusammen mit jetzt immer noch hoher Luftverschmutzung bei Immersionslage/Windstille, die Luft stehen. Es bildet sich Smog. Trotz gewisser Fortschritte im Umweltschutz, werden durch immer mehr Besiedlung diese wieder zunichte gemacht.

    • Schlemihl sagt:

      Herr Laubacher

      Sie vermischen Dinge, die nichts miteinander zu tun haben resp. Sie machen die Einwanderung/Bevölkerungsdichte für Probleme verantwortlich, die ganz andere Ursachen haben. Ausserdem haben Sie offensichtlich meinen Artikel nicht genau gelesen:

      1. Die Luftverschmutzung im Ruhrgebiet ist in erster Linie auf den Kohleabbau zurückzuführen und hat wenig mit der Bevölkerungsdichte zu tun.

      2. Ich vergleiche das Mittelland nicht mit Extrembeispielen sondern mit „ganz normalen“ europäischen Regionen/Gebieten wie der Lombardei, NRW oder England. Es geht darum das Märchen des ach so dicht besiedelten Mittellands zu widerlegen.

      3. Die von mir genannten Regionen/Gebiete sind alles andere als „kaputt“, sondern erfolgreichen Regionen mit hoher Lebensqualität.

      4. Der Smog, resp. die Luftverschmutzung sind natürlich ein Problem. Nur diese Problem den Einwandern in die Schuhe zu schieben ist viel zu einfach!

      Anstatt die wirklichen Ursachen für gewisse Probleme zu bekämpfen (z.B. mangelhafte Raumplanung), wird die Schuld für diese Probleme der Einwanderung in die Schuhe geschoben…

      • Markus Laubacher sagt:

        Zu Ihrer Meinung ich würde Dinge vermischen die nichts miteinander zu tun haben: Da habe ich mich leider vertippt. Korrigenda: Folgender Satz den ich oben geschrieben habe sollte als neuer Satz und von den vorher geschriebenen drei Linien vom Sinn her getrennt sein und losgelöst stehen: >Überbesiedlung muss doch in keiner Weise nur annähernd auch in der Schweiz statt finden.< Damit meine ich Monsterstädte, wie sie auf der ganzen Welt zu finden sind und Überbevölkerung mit Dichtestress wie zum Bsp. Regionen in Japan. Dass im Ruhrgebiet Kohle abgebaut wurde mit hoher Luftverschmutzung.ist mir schon lange bekannt. Smog resp. Luftverschmutzung schiebe ich nicht nur der momentan hohen Einwanderungszahlen in die Schuhe. Es ist auch überbordende Technokratie daran Schuld. Es lässt sich aber nicht bestreiten, dass immer mehr Zuwanderung die Agglomerationen der grossen Metropolen weiter ausdehnen und übermässig ausgedehnt haben. Dichtestress. Mensch und Natur leidet!. Offenbar haben für sie gewisse "erfolgreiche" Regionen und Städte – auch in England – mit hoher Feinstaubkonzentration, Smog, Autolärm, verbetonierung etc. eine hohe Lebensqualität. Viele Regionen verpesten und verlärmen erfolgreich die Luft. Das scheint schlussendlich und vorderhand das einzig Erfolgreiche zu sein, das den Menschen, den Politikern, Wirtschaftsführern und Technokraten in den Monsterstädten mit ihren wild wuchernden und ausufernden Agglomerationen gelungen ist

  2. Manfred sagt:

    Sollte hier irgend jemand behaupten, dass Luftverschmutzung mit der Überbevölkerung nichts zu tun hat, dann tut mir dieser wirklich ehrlich leid.
    Tatsache ist doch, dass im Jahre 2012 insgesamt 73’000 Personen netto in die Schweiz eingewandert, eingeflogen, eingefahren UND eingeschifft worden sind!
    Die gutmütigen Schlepperbanden lassen grüssen!
    Jeder Schweizer, der 2 und 2 zusammenzählen kann, kann sich vorstellen, wie die Schweiz in 10 Jahren aussieht!
    Wie, bitte schön kann sich dannzumal noch ein Rentner einen Stehplatz im ÖV ergattern, ohne mit einem Messer im Rücken zu enden?

  3. Gion Saram sagt:

    Für die Stimmbüger die am 9.2.2014 über die Initiative der SVP abstimmen werden ist es völlig irrelevant ob die oben erwähnten 10 Punkte stimmen oder nicht, sondern das eigene subjektive Wohlbefinden und die Frage: Was hat mir persönlich die PFZ für Vorteile und Nachteile gebracht. Die PFZ Befürworter haben es bis anhin nicht ausreichend allen Stimmbürger klar zu machen welche Vorteile die PFZ jedem einzelnen gebracht hat, falls die Initiative durchkommt, wird es gerade wegen diesem Versäumnis sein. Seit den 60ern Jahren erklärt man uns das es für den Einzelnen sinnvoll sei, die Zahl seiner Nachkommen mittels Familienplannung sorgfältig zu planen. Was spricht denn dagegen nicht auch als Nation seine Bevölkerung nicht den willkürlichen Trieben zu überlassen sondern ebenfalls sorgfältig zu planen? Kann man wirklich den Pabst verspotten der gegen Kondome ist aber gleichzeitig die unlimitierte Zuwanderung verherrlichen?

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